←Weniger Meinungsmacht. Mehr Freiheit.
Außenwerbeunternehmen wie STRÖER oder WallDecaux haben eine marktbeherrschende Stellung. Sie bestimmen darüber, welche (Falsch-) Informationen wir im öffentlichen Raum zu sehen bekommen und tracken uns auf Schritt und Tritt. Über ihre digitalen Werbemonitore haben sie massiven Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung.
Die Lösung: Werbemonitoren den Stecker ziehen. Visibilität von Werbung im öffentlichen Raum reduzieren.
Weniger Meinungsmacht für Großkonzerne schafft mehr Raum für freie Entfaltung der Persönlichkeit.
Die Kommunikationsfreiheiten geben ein Recht auf Äußerung, auf Ausstrahlung in den öffentlichen Bereich und die Möglichkeit der Verbreitung von Meinungen und Informationen; keine der aktiven Kommunikationsfreiheiten gibt aber einen Anspruch gegen den Adressaten auf Entgegennahme oder Empfang der Mitteilungen. Die aufgedrängte Kommunikation durch digitale Werbeanlagen kann auch nicht ausgeblendet oder ignoriert werden. Denn diese Technologie macht sich die Tatsache zunutze, dass jedes bewegte Bild an der Peripherie unseres Gesichtsfeldes automatisch unsere Aufmerksamkeit erregt und ein erhöhtes Maß an Wachsamkeit und Stress auslöst, dass die Speicherung der Botschaft fördert. Eine Kommunikation, die dem Menschen keine Möglichkeit der Auswahl belässt, ob er die Inhalte rezipieren möchte oder nicht, ist nicht mit den Grundwerten einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu vereinbaren, sondern vielmehr Ausdruck von Zwang, der autoritären Systemen innewohnt.
Negative Informationsfreiheit - Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG
Die negative Informationsfreiheit kann als das Recht umschrieben werden, Informationen nicht rezipieren zu müssen bzw. nach eigenem Wunsch auswählen zu können.1 Sie beinhaltet ein Recht, sich nicht zu unterrichten und schützt vor dem Zwang, Informationen aufzunehmen.2 Ein Schutz vor Wirtschaftswerbung im öffentlichen Raum, deren Rezeption der Einzelne ebenso wenig verhindern kann, wurde vom Bundesverfassungsgericht bisher nicht erörtert und hat daher keine praktische Bedeutung erlangt.3 In seiner jüngsten Entscheidung zum Rundfunkbeitrag hat das Bundesverfassungsgericht offengelassen, ob das Grundrecht der Informationsfreiheit gleichrangig im Sinne einer negativen Komponente davor schützt, sich gegen den eigenen Willen Informationen aufdrängen zu lassen, oder ob insoweit der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG einschlägig ist.4
Nach zutreffender Auffassung ist auch die negative Informationsfreiheit von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG geschützt.5 Nur so kann ein umfassender Schutz des Kommunikationsprozesses erfolgen, der schließlich auch die Wahl der Informationsquelle im negativen Sinne umfasst. Ein freier Meinungsbildungsprozess kann nicht den Zwang zur Informationsaufnahme dulden.6 Dabei ist zu sichern, dass öffentliche Meinungsbildung stattfinden kann, andererseits aber der einzelne Bürger die Möglichkeit behält, sich unerwünschter Kommunikation – aber auch der nicht erkennbaren suggestiven Beeinflussungen – zu entziehen.7
Allgemeines Persönlichkeitsrecht - Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
Der Schutz vor aufgedrängter Information lässt sich aber auch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ableiten. Zwar tritt der Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG hinter die speziellen, »benannten« Freiheitsrechte zurück, soweit diese der Sache nach einschlägig sind. Soweit sie jedoch nicht eingreifen, steht die allgemeine Garantie dafür bereit, weitere Freiheitsrechte aufzunehmen und dadurch den notwendig lückenhaften Schutz der punktuellen Freiheitsverbürgungen zu ergänzen.8 Art. 2 Abs. 1 GG wirkt so als subsidiäres und als supplementäres Generalfreiheitsrecht, das die grundgesetzliche Sicherung der Achtung und des Schutzes der individuellen Freiheit komplettiert und zugleich offen hält für die »Entstehung« neuer Rechte, die auf neue Freiheitsbehauptungen oder neue Gefährdungslagen reagieren.9 Das allgemeine Persönlichkeitsrechts schützt die innere Entfaltung des Grundrechtsträgers hinsichtlich des Findens und Bewahrens des eigenen Ichs (Integritätsschutz), wodurch dem autonomiebegabten Menschen der praktische Selbstentwurf seiner Gesamtpersönlichkeit gesichert wird.10 Unter Berufung auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Schutz der Individualsphäre) hat der Bundesgerichtshof anerkannt, dass der Schutz des Umworbenen an seiner ungestörten Individualsphäre die wirtschaftlichen Belange des Werbenden überwiegt.11
[1] Fechner in Stern / Becker, Grundrechte-Kommentar, 3. Auflage 2019, Art. 5 GG, Rn. 149; Bethge in Sachs GG, 9. Auflage, Art. 5, Rn. 57 a; Jarass in Jarass/Pieroth GG, Art. 5 GG Rn. 25.
[2] Fenchel, Jörg, Negative Informationsfreiheit, S. 137
[3] Fechner a.a.O.
[4] BVerfG, Urteil vom 18.07.2018, 1 BvR 1675/16, Rn. 135.
[5] zur dogmatischen Herleitung siehe: Fenchel, Jörg, Negative Informationsfreiheit, S. 70ff; Fikentscher, Möllers: Die (negative) Informationsfreiheit als Grenze von Werbung und Kunstdarbietung (NJW 1998, 1337).
[6] BeckOK, Informations- und Medienrecht, Art. 5 GG, Rn. 44.
[7] Fenchel, Jörg, Negative Informationsfreiheit, S. 157ff.
[8] Horn in Stern / Becker, Grundrechte-Kommentar, 3. Auflage 2019, Art. 2 GG, Rn. 9.
[9] Dreier in Dreier, Art. 5 GG, Rn. 69; Horn a.a.O.
[10] Horn in Stern / Becker, Grundrechte-Kommentar, 3. Auflage 2019, Art. 2 GG, Rn. 10.
[11] BGH, Urteil vom 01.04.2004, I ZR 227/01 (zum gezielten Ansprechen von Passanten zu Werbezwecken).