←Weniger Kommerz. Mehr Kultur.
Werbebotschaften dominieren den öffentlichen Raum und buhlen um unsere Aufmerksamkeit. Werbung soll Bedürfnisse wecken und beschleunigt schädlichen Konsum.
Die Lösung: Weniger Werbeanlagen. Mehr Werbefläche für Sport- und Kulturveranstaltungen.
Veranstaltungen bekommen mehr Aufmerksamkeit. Die lokale Kulturwirtschaft wird gestärkt.
In seiner Präambel erkennt die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung kultureller Vielfalt an, dass die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, einschließlich traditioneller Ausdrucksformen, ein wichtiger Faktor ist, der es Einzelpersonen und Völkern ermöglicht, ihre Ideen und Werte zu äußern und mit anderen zu teilen. Gemäß Artikel 2 kann die kulturelle Vielfalt nur dann geschützt und gefördert werden, wenn die Menschenrechte und Grundfreiheiten wie z. B. die Meinungs-, Informations- und Kommunikationsfreiheit sowie die Möglichkeit des Einzelnen kulturelle Ausdrucksformen zu wählen, gewährleistet sind. Deutschland hat die UNESCO-Konvention am 12. März 2007 ratifiziert.
Der Report der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zu kulturellen Rechten gemäß Resolution 19/6 des Menschenrechtsrats vom 08. August 20141, der die Auswirkungen von Werbung und Marketing auf die Inanspruchnahme kultureller Rechte, insbesondere auf die Freiheit des Denkens und der freien Meinungsäußerung, auf kulturelle Vielfalt und Lebensführung, auf Kinderrechte im Zusammenhang mit Bildung und Freizeit, auf die akademische und künstlerische Freiheit sowie auf die Teilhabe an Kunst und Kultur auseinandersetzt, kommt zu folgenden Feststellungen und Empfehlungen, die sich als legitime Zwecke darstellen:
„Staaten stehen gegenüber ihren Bürgern in der Verantwortung sie vor einem Übermaß an kommerzieller Werbung zu schützen und nichtkommerzielle Meinungsäußerung zu fördern. Im Rahmen von Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (“UN-Zivilpakt“) und auf Grundlage der Ansicht, dass Kaufanreize einer geringeren Schutzbedürftigkeit unterliegen als andere Formen der Rede, empfiehlt die Sonderberichterstatterin den Staaten eine effektivere Regulierung in diesem Bereich.
Ein allgemeines Bedenken gilt der unverhältnismäßigen Präsenz kommerzieller Werbung im öffentlichen Raum, der hohen Anzahl täglicher Reklamebotschaften, ferner ihre Verbreitung mittels technischer Anwendungen in offener oder versteckter Form und den damit verbundenen Möglichkeiten individuelle Entscheidungen zu manipulieren.
Eine weitere Frage ist die der verlorenen Verhältnismäßigkeit: Die Anzahl an Außenwerbung, deren Größe, die Wahl der Standorte sowie die verwendeten Technologien wie digitale Anzeigen und Bildschirme, machen Werbung allgegenwärtig und unausweichlich. Reklametafeln behindern die Auseinandersetzung der Menschen mit ihrer Umwelt. Das betrifft Parkanlagen, Baudenkmäler und Landschaft im Allgemeinen. Die ununterbrochene Aufforderung zu mehr Konsum stellt eine Beeinträchtigung der Bürger dar.
Reklametafeln und andere Außenwerbeanlagen betreffen weit mehr als lediglich das Grundstück, auf dem sie installiert sind. Der kommerzielle Wert von Reklametafeln ergibt sich vor allem durch die Anzahl der vorbeigehenden Betrachter. Kritiker argumentieren, dass Unternehmen in Wirklichkeit öffentlichen Raum kaufen und nicht allein privates Eigentum mieten (z. B. eine Wand an einem privaten Gebäude).
Kommerzielle Werbe- und Marketingpraktiken haben einen zunehmenden Einfluss auf die kulturellen Räume, in denen wir uns aufhalten und im weiteren Sinne auf unsere kulturelle Vielfalt. Stets mit einer Verkaufsabsicht verbunden, haben diese Botschaften das Potenzial die philosophischen Überzeugungen von Menschen, sowie ihre kulturelle Werte und Praktiken tiefgreifend zu beeinflussen, von Modellen des Lebensmittelkonsums bis hin zu Bestattungsritualen, sämtliche Geschmacks- und Schönheitsvorstellungen einbegriffen.
Besonders aufdringlich sind laute Soundeffekte oder bewegte Bildschirme im öffentlichen Raum. Diese Technologie macht sich die Tatsache zunutze, dass jedes bewegte Bild an der Peripherie unseres Gesichtsfeldes automatisch unsere Aufmerksamkeit erregt und ein erhöhtes Maß an Wachsamkeit und Stress auslöst, dass die Speicherung der Botschaft fördert.
Öffentliche Räume sind Orte der Begegnung und des kulturellen Austauschs sowie des sozialen Zusammenhalts und der Vielfalt. Die zunehmende Kommerzialisierung und Privatisierung des öffentlichen Raums stellen das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben als auch den Ort selbst, der eine gewisse kulturelle Vielfalt abbilden soll, vor große Herausforderungen.
Staaten, die ihre kulturelle Vielfalt schützen wollen, müssen ihre Gesellschaften vor einem unangemessenen Maß an kommerzieller Werbung und Marketing schützen und gleichzeitig einen Raum für gemeinnützige Ausdrucksformen öffnen.
Die Staaten tragen eine besondere Verantwortung sicherzustellen, dass der öffentliche Raum eine Sphäre des demokratischen und kulturellen Austauschs, des sozialen Zusammenhalts und der Vielfalt bleibt.
Gesetze und Maßnahmen sind danach auszurichten, die Menge an kommerzieller Werbung und Marketing, die Menschen täglich erreicht, auf ein verhältnismäßiges Maß zu reduzieren.“