Senat verklagt „Hamburg werbefrei“ vor dem Verfassungsgericht ­– scharfe Kritik an SPD und Grünen

Mitteilung vom 24.03.2023

Um einen Erfolg der Volksinitiative „Hamburg werbefrei“ zu verhindern, hat der Hamburger Senat das Landesverfassungsgericht angerufen.

Wie die Vertrauensleute mitteilen, ist ihnen an diesem Freitag ein entsprechendes Schreiben zugegangen. Ursprünglich hatte die Volksinitiative im Juni die zweite Sammelphase starten wollen. Dazu hatte sie bereits am 19. Februar den offiziellen Antrag gestellt. Im vergangenen Jahr hatte „Hamburg werbefrei“ bereits mehr als 15.000 Unterschriften gesammelt und die erste Hürde der Volksgesetzgebung damit deutlich übersprungen.

„Die Klage des Senats ist ein Zeichen der politischen Schwäche“, sagt Antonia Petschat, Vertrauensperson von „Hamburg werbefrei“. „Es ist offensichtlich, dass die Leute es satt haben, überall in der Stadt mit immer mehr Werbung konfrontiert zu werden. Dieses Anliegen mit juristischen Tricks stoppen zu wollen, ist ein durchschaubares Manöver und politisch fragwürdig, gerade auch in Zeiten der Klimakrise.“

Eine entsprechende Haltung habe sich bereits in den Gesprächen zwischen der Initiative und den Senats-Fraktionen im Januar und Februar gezeigt. „SPD und Grüne fühlen sich der Werbewirtschaft offenbar mehr verpflichtet als den Interessen der Bürgerinnen und Bürger“, sagt Petschat. „Dass sie sich nun vor Gericht flüchten, zeigt, dass ihnen die Argumente ausgehen.“

Der Entscheidung des Gerichts sieht die Initiative gelassen entgegen. Petschat: „Wir wollen lediglich die Stadt wieder in den Zustand zurückversetzen, den sie bis vor ein paar Jahren hatte, bevor die Werbewirtschaft begann, an allen Ecken leuchtende Werbesäulen und Monitore aufzustellen. Was kann daran verfassungswidrig sein? Viel interessanter wäre eine juristische Prüfung, ob es legal ist, Menschen mit Werbung zuzumüllen, die sie nicht wollen und der sie nicht ausweichen können.“

„Hamburg werbefrei“ will die Zeit des Verfahrens nun nutzen, weitere Unterstützer:innen und Bündnispartner:innen zu gewinnen und sich noch gründlicher auf die zweite Sammelphase vorzubereiten. Unter www.hamburg-werbefrei.de/volksbegehren können sich Interessierte dazu bereits jetzt als potentielle Sammler:innen eintragen.

Senat bestätigt Erfolg von „Hamburg werbefrei“

15.11.22

Senat bestätigt Erfolg von „Hamburg werbefrei“

Seit heute ist es offiziell: Die erste Phase der Volksinitiative „Hamburg werbefrei“ war erfolgreich. Die behördliche Prüfung der am 21. Oktober abgegebenen Unterschriften hat ergeben, dass die erforderliche Mindestanzahl erreicht wurde.


Dazu Antonia Petschat, Vertrauensperson von „Hamburg werbefrei“: „Hamburg hat ein starkes Zeichen gesetzt, das weit über die Stadtgrenzen hinaus Gehör findet. Unsere Volksinitiative hat klar gezeigt, dass immer mehr Menschen die Nase voll haben von immer mehr Werbung. Niemand kann sich nun mehr herausreden. Jetzt liegt der Ball im Feld der Politik. Soll unsere Stadt wirklich immer weiter mit Werbung verschandelt werden? Oder wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern die Freiheit geben, selbst zu darüber entscheiden, wie viel Werbung sie konsumieren möchten? Darüber sind wir bereit, mit den Verantwortlichen der Regierungsfraktionen zu sprechen. Sollte sich auf diese Weise aber keine substantielle Werberduktion erreichen lassen, gehen wir mit kräftigem Rückenwind in die zweiten Phase. Die letzten Wochen und Monate haben gezeigt: Wir haben nicht nur die besseren Argumente, sondern auch das Momentum auf unserer Seite.“

Für Hintergrundgespräche, O-Töne und Interviews stehen wir Ihrer Redaktion gern zur Verfügung.
Pressekontakt: Martin Weise; presse@hamburg-werbefrei.de 0175 4350387

Am 13.4 erschien ein ausführliches Feature bei Deutschlandfunk (18:59 Min) https://www.deutschlandfunk.de/weniger-plakate-mehr-platz-warum-initiativen-fuer-werbefreie-staedte-kaempfen-dlf-d77805eb-100.html .

Es kommen Aktivist:innen der jeweiligen Initiativen aus Genf, Hamburg und Berlin zu Wort.

Am 6.4.22 gab es einen Beitrag beim lokalen Fernsehsender Hamburg1 über die Initiative Hamburg Werbefrei. Das Video (2:27 Min) ist hier zu finden: https://www.hamburg1.de/news/54484

Hamburg Werbefrei stellt sich vor

Unser Vortrag „Hamburg Werbefrei stellt sich vor“ von der rC3-Konferenz ist nun online, zum nachschauen und weiterreichen:

Senat beantwortet Fragen zur Vertragsverlängerung … nicht.

Die Initiative Hamburg Werbefrei kritisiert die Intransparenz von Senat und Regierung der Freien und Hansestadt Hamburg bei der Entscheidung, die Verträge mit Ströer und Wall zu verlängern.

Hamburg, 19.08.2021

Vor einigen Wochen berichteten wir[1] über die mehrjährige Vertragsverlängerung ohne Ausschreibung samt „coronabedingter Entgeltanpassung“, die der Hamburger Senat den Werbefirmen kurz vor der Sommerpause zugesagt hat.

Diese Entscheidung kam für uns, die wir uns speziell mit dem Thema beschäftigen, völlig überraschend. Ohne einen Tipp aus der Bürgerschaft hätten wir gewiss erst viel zu spät davon erfahren. Im Grunde ist das auch so der Fall – still und leise fiel diese weitreichende Entscheidung.

Die Regierung sieht da kein Problem. Der Abgeordnete Ole Thorben Buschhüter (SPD) bescheidet uns in seiner insgesamt recht hilfreichen Antwort auf unsere Nachfrage[2]:

Ihre These, die Entscheidung sei „ohne demokratische Aussprache und kurz vor der Sommerpause“ erfolgt, wurde dadurch widerlegt, dass die Problematik der Werberechtsverträge Gegenstand einer Ausschussberatung war“.

Was mit unserer Stadt geschieht: Betriebs- und Geschäftsgeheimnis.

Der Vorgang beschäftigt auch die Opposition. Die Abgeordneten Heike Sudmann und Olga Fritzsche (DIE LINKE) stellten eine parlamentarische Anfrage[3] mit dem schönen Titel „Corona-Rabatt für Werbeflächen auf öffentlichem Grund? Echt jetzt?“. Jede Frage zu den Entgelten wurde abgeblockt:

Aufgrund der Verpflichtung zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen kann hierüber keine Auskunft gegeben werden

Die Öffentlichkeit mit Verweis auf solche privaten Geheimnisse über die Details eines Deals mit einer privaten Firma im Unklaren zu halten, offenbart strukturelle Schwächen, die fehlkonzipierten „Public-private-Partnerships“ inhärent sind: Verlust der demokratischen Kontrolle über die Infrastruktur; ein eingebautes Partizipationsdefizit.

Wir finden: wie unsere Stadt betrieben wird, darf kein „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ sein, alle Betroffenen (und damit meinen wir nicht die Werbekonzerne) müssen offen und informiert mitreden können!

Privatfirmen als Schattenmacht

Eigentlich braucht die Transparenz in Hamburg einen Boost, wie in Berlin[4]: unsere aktuelle Regierung hat das Transparenzgesetz 2019 ohne Not geschwächt[5]; drohte das Gesetz trotz ohnehin bestehender weitreichender Ausnahmen zu „Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ jene Art „demokratischer Aussprache“, die in Hinterzimmern stattfindet, zu unbequem zu machen?

Während Öffentlichkeit und parlamentarische Opposition von Senat und Ausschüssen mehr schlecht als recht im Bilde gehalten werden, läuft die Kommunikation mit den Betreiberfirmen wie geschmiert. Der Kontrast spiegelt sich in unserer Anfrage[6] dazu wieder: bei der Beantwortung halten sich die verantwortlichen Behörden bedeckt. Wir erhielten nur eine Liste der 18 offiziell registrierten Meetingtermine seit Beginn der Coronakrise. Jegliche Angabe zum Inhalt der Gespräche fehlt.

Einspruchsmöglichkeit!

Die Bürgerschaft wird sich[2] nochmal mit der Entscheidung befassen – nachdem die Auswirkungen auf den Haushalt an die Finanzbehörde berichtet worden sind. Wir gehen davon aus, dass das ergebnisoffen ist und empfehlen, ab sofort Abgeordnete zu kontaktieren und Bedenken darzulegen: z.B. öffentlich sichtbar über Abgeordnetenwatch[7], oder auch per Mail und Telefon.

Links

[1] https://www.hamburg-werbefrei.de/?p=3970

[2] https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/ole-thorben-buschhueter/fragen-antworten/583963

[3] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/76815/corona_rabatt_fuer_werbeflaechen_auf_oeffentlichem_grund_echt_jetzt.pdf

[4] https://volksentscheid-transparenz.de/

[5] https://netzpolitik.org/2019/hamburg-entwurf-fuer-neues-transparenzgesetz-verstoesst-wahrscheinlich-gegen-europarecht/

[6] https://fragdenstaat.de/a/224350

[7] https://www.abgeordnetenwatch.de/

Hamburg Werbefrei kritisiert Entscheidung des Senats zu digitaler Außenwerbung und „Anpassung der Vertragsentgelte“

Kurz vor der Sommerpause fällt der Senat hinter verschlossenen Türen weitreichende Entscheidungen: Tausende neue Werbemonitore und nicht nachvollziehbare Geschenke an Betreiberfirmen.

Hamburg, 12.07.2021

Die Initiative Hamburg Werbefrei kritisiert die Entscheidung des Senats zum Ausbau der digitalen Außenwerbung und wirft den Regierenden vor, zwei börsennotierte Konzerne zu bevorzugen. Wie aus den Senatsantworten auf zwei Parlamentarische Anfragen hervorgeht, gewährt der Senat den Werbefirmen Wall/JCDecaux und DSM/Ströer durch eine „coronabedingte Anpassung der Vertragsentgelte“ finanzielle Vorteile, verlängert die bestehenden Werberechtsverträge ohne Ausschreibungen um drei Jahre und beschließt die Möglichkeit zur Digitalisierung aller Werbeanlagen.

Die Initiative Hamburg Werbefrei verweist auf den hohen Stromverbrauch der Werbemonitore. Allein eine digitale Werbesäule, wie sie schon heute beispielsweise in der Mönckebergstraße zu finden sei, verbrauche mit 15.000 kWh pro Jahr so viel Strom wie zehn Singlehaushalte.

Die Entscheidung steht im krassen Widerspruch zum Regierungsziel der Klimaneutralität bis 2050. Wie rechtfertigt die Stadt Hamburg im Angesicht der Klimakrise diesen unverhältnismäßig erhöhten Stromverbrauch sowie den Produktionsaufwand der digitalen Anlagen?“

Antonia Petschat, Architektin

Weiter sei es nicht nachvollziehbar, warum die pandemiebedingt finanzbedürftige Stadt Geld an zwei börsennotierte Konzerne verschenkt. Diese seien mitnichten in ihrer Existenz gefährdet. Ströer habe beispielsweise zuletzt im November ’20 eine Dividende an seine Aktionäre ausgezahlt.

Fragwürdig ist, womit die Werbefirmen eine derartige Sonderbehandlung durch Politik und Verwaltung verdienen. Der gesellschaftliche Mehrwert für die Bewohner:innen dieser Stadt ist nicht nachweisbar.“

Johannes Robert, Stadtplaner

Sprecher:innen der Initiative kritisieren, dass allgemein eine fragwürdige Nähe zwischen den begünstigten Firmen und dem Senat festzustellen sei. Im Juni stellte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) gemeinsam mit der Wall GmbH ein begrüntes Bushaltestellendach vor (NDR berichtete) und Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) gab die Schirmherrin für die Aktion #HhelpingHands der Ströer Media Deutschland GmbH (Abendblatt berichtete). Im gleichen Monat wurden die Begünstigungen für genannte Firmen publik. Hamburg Werbefrei weist darauf hin, dass Menschen in einer Demokratie Hinweise auf Korruption und Filz an die Presse weiterreichen können, beispielsweise über https://leaks.taz.de/ .

„Die Werbeanlagen fördern den Überkonsum und die Verträge sind eine regelrechte Hehlerei mit unserer Aufmerksamkeit. Gerade die Grünen sollten sich nochmal genau überlegen, auf welcher Seite sie stehen: für Mensch und Umwelt oder die Profite von Werbekonzernen?

Dr. Nils Erik Flick, IT-Berater

Die Initiative Hamburg Werbefrei möchte mit dem Mittel Direkte Demokratie Außenwerbung in Hamburg stark einschränken. Im März ’22 wird die Unterschriftensammlung für den Gesetzentwurf, der Änderungen im Bauordnungsrecht und im Wegegesetz vorsieht, beginnen. Vorbild ist die Initiative Berlin Werbefrei, die für ihr Anliegen über 43.000 Unterschriften sammeln konnte.

Links:

Drucksache 22/4876 vom 10.6.21 https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/76270/ausuebung_der_werberechte_auf_oeffentlichem_grund_ii.pdf

Drucksache 22/4925 vom 22.6.21 https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/76335/zukunft_der_fahrgastunterstaende_stadtmoeblierungskonzept_ohne_public_private_partnership.pdf

Bislang (Stand 12.07.2021) unbeantwortete Fragen an MdHB der Regierungsfraktionen:

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/gerrit-fuss/fragen-antworten/583027

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/ole-thorben-buschhueter/fragen-antworten/583963

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/lisa-maria-otte/fragen-antworten/580516

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/ralf-neubauer/fragen-antworten/581654

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/matthias-czech/fragen-antworten/581107

Beantwortete Fragen an MdHB der Regierungsfraktionen:

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/ole-thorben-buschhueter/fragen-antworten/583047

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/mareike-engels/fragen-antworten/582375

Pressespiegel (12.6.2021)

taz vom 12.6.2021: „Charity-Kampagne der Bürgerschaft nutzt umstrittene Werbebildschirme“

Parlamentarische Anfrage und Diskussionsbeitrag

Im Februar stellten 13 Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE eine Große Anfrage an den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg.

Die Auskünfte des Senats sprechen für sich und sind sehr lesenswert, offenbaren sie doch nicht nur viele spannende technische Details, sondern auch eine ernüchternde Lehre: Nach all den Jahren, in denen man die Menschen in Hamburg aggressiver Werbung aussetzt, existieren anscheinend keine Erkenntnisse zu den psychologischen Ausswirkungen. Das lässt darauf schließen, dass diese Kernfrage von der Politik bis jetzt offenbar geflissentlich ignoriert wurde. Die Ausbeutung unserer Gedanken und die Einbußen in der Lebensqualität sind der Preis für eine kleine Aufbesserung der Finanzen der Stadt.

Gibt es Untersuchungen zum Einfluss von Außenwerbung auf die psychische Gesundheit und die Lebenszufriedenheit von Menschen?

Der Senat hat sich mit dieser Fragestellung noch nicht befasst.

Antwort auf Frage 24 der Großen Parlamentarischen Anfrage zu Problemen durch Außenwerbung

Das halten wir für einen Fehler. Diesen fatalen Kurs möchten wir gern gemeinsam mit allen Hamburger:innen, die die allgegenwärtige blöde Werbung satt haben und sich ihre schöne Stadt zurückwünschen, korrigieren.

Gibt es Untersuchungen dazu, ob die Menschen in Hamburg damit einverstanden sind, durch Außenwerbung angesprochen respektive manipuliert zu werden?

Der Senat hat sich mit dieser Fragestellung noch nicht befasst.

Antwort auf Frage 26 der Großen Parlamentarischen Anfrage zu Problemen durch Außenwerbung

Es ergab sich auch ein Diskussionsbeitrag im Bürger:innenbrief von Heike Sudmann und Sabine Boeddinghaus (Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft).

Pressespiegel (3.6.2021)

taz vom 3.6.2021: „Stadt ohne Werbung ­– Hamburger Initiative will Volksentscheid“