Senat beantwortet Fragen zur Vertragsverlängerung … nicht.

Die Initiative Hamburg Werbefrei kritisiert die Intransparenz von Senat und Regierung der Freien und Hansestadt Hamburg bei der Entscheidung, die Verträge mit Ströer und Wall zu verlängern.

Hamburg, 19.08.2021

Vor einigen Wochen berichteten wir[1] über die mehrjährige Vertragsverlängerung ohne Ausschreibung samt „coronabedingter Entgeltanpassung“, die der Hamburger Senat den Werbefirmen kurz vor der Sommerpause zugesagt hat.

Diese Entscheidung kam für uns, die wir uns speziell mit dem Thema beschäftigen, völlig überraschend. Ohne einen Tipp aus der Bürgerschaft hätten wir gewiss erst viel zu spät davon erfahren. Im Grunde ist das auch so der Fall – still und leise fiel diese weitreichende Entscheidung.

Die Regierung sieht da kein Problem. Der Abgeordnete Ole Thorben Buschhüter (SPD) bescheidet uns in seiner insgesamt recht hilfreichen Antwort auf unsere Nachfrage[2]:

Ihre These, die Entscheidung sei „ohne demokratische Aussprache und kurz vor der Sommerpause“ erfolgt, wurde dadurch widerlegt, dass die Problematik der Werberechtsverträge Gegenstand einer Ausschussberatung war“.

Was mit unserer Stadt geschieht: Betriebs- und Geschäftsgeheimnis.

Der Vorgang beschäftigt auch die Opposition. Die Abgeordneten Heike Sudmann und Olga Fritzsche (DIE LINKE) stellten eine parlamentarische Anfrage[3] mit dem schönen Titel „Corona-Rabatt für Werbeflächen auf öffentlichem Grund? Echt jetzt?“. Jede Frage zu den Entgelten wurde abgeblockt:

Aufgrund der Verpflichtung zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen kann hierüber keine Auskunft gegeben werden

Die Öffentlichkeit mit Verweis auf solche privaten Geheimnisse über die Details eines Deals mit einer privaten Firma im Unklaren zu halten, offenbart strukturelle Schwächen, die fehlkonzipierten „Public-private-Partnerships“ inhärent sind: Verlust der demokratischen Kontrolle über die Infrastruktur; ein eingebautes Partizipationsdefizit.

Wir finden: wie unsere Stadt betrieben wird, darf kein „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ sein, alle Betroffenen (und damit meinen wir nicht die Werbekonzerne) müssen offen und informiert mitreden können!

Privatfirmen als Schattenmacht

Eigentlich braucht die Transparenz in Hamburg einen Boost, wie in Berlin[4]: unsere aktuelle Regierung hat das Transparenzgesetz 2019 ohne Not geschwächt[5]; drohte das Gesetz trotz ohnehin bestehender weitreichender Ausnahmen zu „Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ jene Art „demokratischer Aussprache“, die in Hinterzimmern stattfindet, zu unbequem zu machen?

Während Öffentlichkeit und parlamentarische Opposition von Senat und Ausschüssen mehr schlecht als recht im Bilde gehalten werden, läuft die Kommunikation mit den Betreiberfirmen wie geschmiert. Der Kontrast spiegelt sich in unserer Anfrage[6] dazu wieder: bei der Beantwortung halten sich die verantwortlichen Behörden bedeckt. Wir erhielten nur eine Liste der 18 offiziell registrierten Meetingtermine seit Beginn der Coronakrise. Jegliche Angabe zum Inhalt der Gespräche fehlt.

Einspruchsmöglichkeit!

Die Bürgerschaft wird sich[2] nochmal mit der Entscheidung befassen – nachdem die Auswirkungen auf den Haushalt an die Finanzbehörde berichtet worden sind. Wir gehen davon aus, dass das ergebnisoffen ist und empfehlen, ab sofort Abgeordnete zu kontaktieren und Bedenken darzulegen: z.B. öffentlich sichtbar über Abgeordnetenwatch[7], oder auch per Mail und Telefon.

Links

[1] https://www.hamburg-werbefrei.de/?p=3970

[2] https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/ole-thorben-buschhueter/fragen-antworten/583963

[3] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/76815/corona_rabatt_fuer_werbeflaechen_auf_oeffentlichem_grund_echt_jetzt.pdf

[4] https://volksentscheid-transparenz.de/

[5] https://netzpolitik.org/2019/hamburg-entwurf-fuer-neues-transparenzgesetz-verstoesst-wahrscheinlich-gegen-europarecht/

[6] https://fragdenstaat.de/a/224350

[7] https://www.abgeordnetenwatch.de/